Ein Artikel von Ekatarina Marinina (ehemalige Praktikantin bei der DJG Berlin)
Wer sich für Japan interessiert, hat schon etwas von dem japanischen Tee gehört: Matcha, Sencha, Teezeremonie… als eine Person, die Japanisch studiert hat und sehr viel Tee trinkt, habe ich diesen Sommer die Chance genutzt, in die traditionelle Teekultur Japans richtig einzutauchen, und ein 3 Monate langes Berufspraktikum in Wazuka (Präfektur Kyoto) gewagt.
Was macht den japanischen Grüntee so besonders? Das muss man gesehen und probiert haben. Die Technologien für Anbau und Herstellung des Tees wurden ursprünglich aus China adoptiert. Im 8.Jh wurden die ersten Teepflanzen von buddhistischen Mönchen aus China eingeführt. Auf die typisch japanische Weise ist aus dem Original etwas vollkommen anderes und einzigartiges entstanden. In diesem Fall wurde eine prinzipiell neue Herstellungstechnologie entwickelt. Die Teeblätter in Japan werden als erstes mit Dampf behandelt und erst dann mit heisser Luft getrocknet(was in China stets der erste Schritt war). Dadurch behalten die Blätter ihre kräftige grüne Farbe und den unverwechselbaren erfrischenden Geschmack. Die hochwertigsten beschatteten Tees, wie Matcha und „Perlentau“ Gyokuro, haben sehr wenig Bitterkeit und einen runden, samtigen Umami-Geschmack.
Wazuka ist ein kleines Dorf, das mitten im Dreieck zwischen Kyoto, Nara undOsaka liegt. Es gehört zu der berühmtenTeeregion Uji. Das Dörfchen selbst ist in einem Tal versteckt und mit Bergen und Wald umgeben. Die Natur ist hier einfach atemberaubend und erinnert an die schönsten Gemäldestücke des Mittelalters mit ihren Felsen, Kiefern und üppigen Gräsern.
Die Wetterbedingungen in dieser Gegend sind perfekt für den Teeanbau. Die Teeplantagen bedecken alle verfügbaren Flächen bis hoch in die Berge. Während der Regensaison hält der Nebel bei den höheren Grundstücken länger an, was als „zusätzliche Beschattung“ den Geschmack der Teeblätter noch milder und süßer macht. Die kleine, alternde Bevölkerung(ca. 3000 Menschen) überlebt durch Tee- und Reisanbau – und, seit einigen Jahren, durch den zunehmenden Tee-Tourismus. Fast auf jedem vorteilhaften Blickpunkt findet man heute eine kleine Teestube. Von der ersten Ernte von Shincha im Mai bis zu der zweiten Hochsommer-Pflückung von Nibancha ist Wazuka viel besucht. Da sehen die Plantagen besonders schön aus. Der Ort ist in einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus Osaka und Kyoto zu erreichen.
Als Gruppe kann man eine „Tee-Tour“ durch die Plantagen einer Teefarm unternehmen oder ein „Brewing Workshop“ im Teegeschäft buchen. Das Geschäft “Nakaoen“, wo ich dieses Teepraktikum gemacht habe, wurde im Jahr 1873 gegründet. Seit 6 Generationen gehören der Teeladen, das kleine Cafe nebenan und eine Teefabrik der Familie Nakao. Hier findet man eine große Auswahl von ortseigenen und regionalen Teespezialitäten.
Da in Wazuka so gut wie niemand Englisch spricht, gehörten zu meinen täglichen Aufgaben schriftliche Übersetzungen, Dolmetschen und Kundenberatung für die ausländischen Besucher. Nach einer Einweisung könnte ich verschiedene Teesorten für die Kunden richtig aufgiessen und servieren.
Die älteren Japaner fanden es besonders süß, wie auch meine Versuche etwas small talk auf Japanisch zu machen. Innerhalb von drei Monaten hatten wir dreimal Besuch von Journalisten, was bald in Zeitungsartikeln über das internationale Teepraktikum in Wazuka resultierte.Ansonsten war es täglich eine vielseitige Ausbildung und ein wahres Paradies für jeden Tee-Liebhaber. Wir haben nicht nur andere Plantagen besucht und mit den Teefarmern über das Wetter gesprochen. Ich könnte den ganzen Herstellungsprozess vom frischen Blatt bis zum fertigen losen Tee direkt in der Fabrik beobachten. Im Geschäft haben wir demnächst die Qualität der Teeblätter inspiziert, von der eigenen Ernte sowie von den anderen Farmern, die ihre Tees bei „Nakaoen“ verkaufen wollten. Dafür gibt es auch vorgeschriebene Regeln, die allerdings nicht viel bringen, wenn man nur darüber liest und nicht jeden Tag brüht und verkostet. Das wesentliche hat der Geschäftsführer, Herr Nakao, in eine Präsentation gefasst und als theoretische Grundlage für ein „Brewing Workshop“ genutzt. Wir haben zwei Arten von solchen „Schnupper-Workshops“ eingeführt, die eine bis zwei Stunden dauern und am besten für kleine Gruppen geeignet sind.
Heutzutage haben junge Japaner leider kein großes Interesse für die alte Teekultur. Bis es wieder zu einem Trend wird, können begeisterte ausländische Praktikanten diese Kenntnisse sammeln und aufbewahren. Das ist eine sinnvolle Mission, und da lässt sich noch so vieles machen! Jeder Praktikant bringt eigene Ideen und Visionen mit, die zur Verbreitung und zum Erhalt der beinahe vergessenen Traditionen dienen. Ich hatte unheimlich viel Spaß bei meiner „Teelehre“ und empfehle sie auf jeden Fall weiter!
Rund ums Jahr sind Praktikanten in Wazuka willkommen. „Nakaoen“ sucht motivierte Tee-Liebhaber in jedem Alter, die sich auf Japanisch verständigen können. Die Bewerbungen und die Workshop-Reservierungen können Sie über die Kontaktform auf der Website lassen: www.nakaoen-tea.com